Fenestrelle – die Chinesische Mauer der Alpen
Das Piemont als Einfallstor von Frankreich nach Italien (und umgekehrt) war in seiner Geschichte häufig heiß umkämpft, besonders die Gebirgstäler der westlichen Alpen, die Frankreich mit Italien verbinden. Da wollten die Franzosen unter Ludwig XIV., dem „Sonnenkönig“ und seinem berühmten Festungsbauer Vauban nichts anbrennen lassen und sie errichteten daher 1694 im Val del Chisone (dem Tal des Chisone), durch das wahrscheinlich bereits Hannibal mit seinen Elefanten gen Rom zog, die Festung Fenestrelle, deren gigantomanische Ausmaße dem Besucher die Sprache verschlagen. Sie bedeckt eine Gesamtfläche von um die 1.400.000 qm auf einer Höhe von 1.100 bis 1.800 m, also mit einem Höhenunterschied von 700 m. Ein überdachter „Treppentunnel“ mit nahezu 4.000 Stufen verbindet die drei Hauptbastionen der Festung miteinander. Sie kann nach Voranmeldung besichtigt und begangen werden, gestählte Waden sollten Sie hierfür aber schon mitbringen. Nachgemessen haben wir es nicht, aber viele – insbesondere Lokalpatrioten aus dem Piemont – sagen, dass die Festung von Fenestrelle das nach der Chinesischen Mauer zweitgrößte Bauwerk der Welt sei. Für den gesamten Alpenraum stimmt dies jedenfalls.
Geholfen hat den Franzosen ihre Bauwut übrigens nichts, denn schon 1709 wurde Fenestrelle nach nur 15tägiger Belagerung von dem Herzog von Savoyen aus dem piemontesischen Herrschergeschlecht erobert. Danach diente die Festung lange Jahre als Gefängnis. Ihr wohl berühmtester Insasse war ein gewisser Edmond Dantès, dessen Lebensgeschichte Alexandre Dumas zu seinem Abenteuerroman Der Graf von Monte Cristo inspirierte.
Das Val del Chisone und die benachbarten Gebirgstäler – das Val Pellice und das Val di Susa – sind aber nicht nur wegen der Trutzburg von Fenestrelle einen Besuch wert. Eine weitgehend unberührte Landschaft, eisblaue Gebirgsseen, erfrischende Kühle im Sommer, Schneegarantie im Winter, mittelalterliche Burgen und malerische Orte machen die Region auch ansonsten zu einem Anziehungspunkt für Touristen und gestresste Städter aus Turin. Soviel Bewegung im Freien macht natürlich Heißhunger, der auch in den westlichen Alpen prächtig gestillt werden kann. Eine der herausragenden Spezialitäten der Region ist Eisbein mit Sauerkraut. Allein deswegen lohnt sich schon eine Fahrt mit Gourmetreisen-Weiß in das Piemont!